Das unsichtbare Gesetz hinter scheiternden Transformationen

Neue Systeme spiegeln alte Kommunikationsmuster. Wer Transformation will, muss zuerst die unsichtbaren Strukturen und Muster anschauen und verändern. Kennen Sie das Prinzip von Conway’s Law?
Inhalt:

Wo gute Ideen leise scheitern

Es beginnt oft gleich: Eine starke Idee. Ein motiviertes Team. Ein klarer Plan.

Man spürt die Aufbruchstimmung. Alle wissen, warum es wichtig ist. Alle geben Gas, Budget wird investiert, neue Tools werde migriert, Prozesse gebaut, Kick-Off-Meetings abgehalten…

Und dann – Wochen oder Monate später – liegt das Ergebnis auf dem Tisch. Es ist nicht schlecht. Aber es ist auch nicht das, was möglich gewesen wäre. Was beflügelt hat, an was man geglaubt hat. Manchmal bleibt das Projekt in sogar in der Entwicklung stecken.

Es fühlt sich an wie ein Puzzle, das aus Teilen verschiedener Spiele zusammengesetzt wurde: Jedes Element für sich wertvoll, aber das Ganze nicht stimmig. Das Budget ist ausgegeben – und nun. Frustration!

Solche Situationen entstehen nicht, weil Menschen keine Lust haben. Nicht, weil die Idee falsch war. Und oft auch nicht, weil das Budget nicht gereicht hat. Sie entstehen, weil unsichtbare Strukturen stärker sind als jede gute Absicht.

Conway’s Law – die alte Beobachtung mit neuer Relevanz

Der Informatiker Melvin Conway formulierte bereits 1968 eine einfache, aber weitreichende These:

„Organisationen entwerfen Systeme, die ihre eigene Kommunikationsstruktur widerspiegeln.“

Ursprünglich sprach Conway über Software-Architekturen. Er beobachtete: Wenn ein Unternehmen vier Teams an einem Compiler arbeiten lässt, dann wird die Architektur dieses Compilers vier Module haben – genau so viele, wie Teams beteiligt sind. Die technische Struktur folgt der sozialen Struktur.

Doch die Aussage ist weit größer als die IT und nachwievor aktuell:

  • Produkte entstehen so, wie die Abteilungen miteinander sprechen. Wenn Entwicklung, Design und Vertrieb kaum Schnittstellen haben, spürt man das am Endprodukt – es wirkt fragmentiert, unausgeglichen, schwer anschlussfähig.
  • Prozesse spiegeln, wer in der Organisation Einfluss hat. Wenn Entscheidungen nur über Hierarchien laufen, sieht man es an Prozessen, die langsam, bürokratisch und voller Schleifen sind.
  • Kampagnen zeigen sofort, wie integriert Kommunikation funktioniert. Wenn Marketing, Sales und Service nebeneinander herarbeiten, entsteht kein konsistentes Bild am Markt, sondern drei parallele Botschaften.
  • Strategien tragen die Stimmen derer, die sie erarbeitet haben – und lassen Lücken dort, wo andere Perspektiven fehlen.

Kurz:

  • Wenn wir in Silos arbeiten, entsteht ein Ergebnis, das wie ein Silo aussieht.
  • Wenn wir unausgesprochene Machtstrukturen bestehen lassen, schreiben sie sich in jedes System ein, ob wir wollen oder nicht.
  • Aber: Wenn wir offen, vernetzt und fließend kommunizieren, entstehen Lösungen, die anschlussfähig und tragfähig sind.

Darum ist Conway’s Law heute mehr als eine historische Beobachtung aus der IT. Es ist ein Spiegel: Wir sehen in unseren Ergebnissen das Muster unserer Organisation.

Warum wirken Muster so stark?

Aus systemischer Sicht ist Conway’s Law kein Zufall, sondern Ausdruck eines tieferliegenden Prinzips: Struktur, Verhalten und Ergebnis hängen untrennbar zusammen. Die formalen Abläufe und Organigramme einer Organisation prägen, wie Menschen miteinander kommunizieren. Gleichzeitig wirken informelle Strukturen – Netzwerke, persönliche Absprachen, gewachsene Vertrauensverhältnisse – oft stärker als jedes Prozesshandbuch. Aus diesen Kommunikationsmustern entsteht das Verhalten, das eine Organisation prägt und trägt, und genau dieses Verhalten bestimmt, welche Informationen im entscheidenden Moment verfügbar sind, wie schnell Entscheidungen fallen und ob Lösungen anschlussfähig sind.

Jedes Ergebnis, das eine Organisation hervorbringt – ob Strategie, Produkt oder Prozess – wirkt auf sie zurück. Es verändert Rollen, Verantwortlichkeiten und Beziehungen. Und das nicht linear und planbar, sondern auf unterschiedlichen Ebenen vernetzt, systemisch halt. Man kann sagen: Systeme sind Spiegel ihrer Muster, und diese Muster halten Ergebnisse zusammen oder lassen sie auseinanderfallen.

Denn: Menschen brauchen Muster. Sie machen das Leben einfacher und geben Sicherheit. In Gruppen werden sie oft unbewusst weitergegeben – durch Sprache, Entscheidungswege oder kleine Rituale, die Zugehörigkeit schaffen. So entsteht Stabilität, aber genau diese Stabilität hat ihren Preis.

Wenn sich Märkte verändern oder neue Technologien auftauchen, halten Organisationen gerne an Vertrautem fest. „So haben wir das immer gemacht“ ist dabei selten Starrsinn, sondern ein psychologischer Reflex, oft auch „nur“ unterbewusst: Muster spenden Halt, auch wenn sie längst unpraktisch geworden sind.

Systemisch gesehen ist das nicht falsch – jedes Muster hatte einmal seinen Sinn. Doch was früher Orientierung bot, kann heute zum Bremsklotz werden. Erst Vorhersagefehler des Gehirns lassen uns lernen.

Genau hier wird Conway’s Law aktuell: Ergebnisse entstehen nicht zufällig, sie spiegeln die Muster, an denen Organisationen festhalten. Wer Transformation will, muss deshalb diese Muster aufspüren, verstehen und gemeinsam verändern – so, dass Neues möglich wird, ohne den Menschen die Sicherheit zu nehmen, die sie brauchen.

Der blinde Fleck in vielen Transformationen

In vielen Transformationsprojekten liegt der Fokus auf dem, was sichtbar und greifbar ist: neue Tools, neue Prozesse, neue Pläne. Doch genau dabei übersehen Organisationen oft das Entscheidende. Denn jedes neue System folgt den bestehenden Kommunikationsmustern – und verstärkt sie. Wenn diese Muster nicht passen, entstehen die alten Probleme einfach in neuer Form: nur komplexer, teurer und oft noch schwerer zu lösen.

Darum sind wir überzeugt: Echte Transformation beginnt nicht bei Produkten oder Technologien. Sie beginnt dort, wo die unsichtbaren Muster wirken – in den Beziehungen, den Kommunikationswegen und den unausgesprochenen Routinen im Inneren einer Organisation.

Beispiele: Wenn alte Muster das Ergebnis formen

Man sieht es in ganz unterschiedlichen Situationen. Eine Strategie wird im Führungskreis entwickelt, doch die Teams, die sie später umsetzen sollen, sind nicht beteiligt. Das Ergebnis: schöne Worte auf Papier, aber wenig Akzeptanz in der Praxis. Oder eine Marketingkampagne, bei der Kreation, Produktmanagement und Vertrieb nebeneinander herarbeiten. Heraus kommt keine einheitliche Botschaft, sondern drei Varianten derselben Geschichte – und jeder Bereich kämpft für sein Konzept. Auch im Service zeigt sich das Phänomen: Support, Logistik und IT nutzen jeweils eigene Systeme, und jede Kundenanfrage wird zum aufwendigen Staffellauf.

So unterschiedlich diese Beispiele klingen, das Muster dahinter ist immer gleich. Das Problem liegt nicht allein im Prozess oder in der Technik. Es liegt in der Art, wie die Organisation denkt, kommuniziert und Entscheidungen trifft.

Wie man mit Mustern arbeitet – und wo wir unterstützen

Conway’s Law ist kein unumstößliches Naturgesetz, sondern eine Beobachtung. Es zeigt uns, dass Systeme die Kommunikationsstrukturen widerspiegeln, aus denen sie entstanden sind. Doch Ergebnisse entstehen nicht nur aus Kommunikation: Auch Kultur, Ressourcen, Kompetenzen und der äußere Kontext spielen eine Rolle. Wer die These zu wörtlich nimmt, läuft Gefahr, sie als Ausrede zu benutzen: „Unsere Ergebnisse sind eben so, weil wir so organisiert sind.“

Entscheidend ist deshalb, Muster sichtbar zu machen und aktiv zu gestalten.

Organisationen kommen weiter, wenn sie sich Fragen stellen wie:

  • Wie verlaufen Informationen tatsächlich – nicht nur im Organigramm?
  • Passen diese Wege zu den Zielen, die wir erreichen wollen?
  • Welche neuen Muster müssen wir einüben, damit Veränderung gelingt?

Genau an diesem Punkt setzt die eigentliche Arbeit ein – oder besser gesagt: Sie läuft parallel zu allem Sichtbaren. Nicht nur beim Tool oder beim Prozess, sondern in den Kommunikations- und Beziehungsmustern, die Stabilität geben und zugleich verhindern können, dass Neues entsteht.

Hier können wir als nieke#licht mit an Bord kommen. Wir helfen Organisationen, diese Muster sichtbar zu machen, schaffen sichere Räume für Reflexion und begleiten den Schritt von der Einsicht zur Intervention. Manchmal bedeutet das, Entscheidungswege neu zu denken. Manchmal geht es um cross-funktionale Zusammenarbeit oder um Kulturarbeit, die alte Rituale ablöst. Immer aber geht es darum, Strukturen und Muster so zu gestalten, dass Neues überhaupt eine Chance hat.

Conway’s Law ist für uns deshalb kein Schicksal, sondern ein Spiegel. Wer hineinsieht, erkennt: Wir bekommen nicht das, was wir uns wünschen – wir bekommen das, was unsere Muster erlauben. Transformation bedeutet daher auch, bewusst auf diese Muster in einem gemeinsamen Miteinander einzuwirken. Dabei zu hinterfragen, warum diese Muster so sind wie sie sind, welchen Gewinn und welchen Preis sie haben.

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FAQ: Häufige Fragen zum Thema „Conway’s Law und Muster in Organisationen bei der transformation“

  • Conway’s Law sagt: Systeme spiegeln die Kommunikationsstrukturen ihrer Organisation wider. Was wir entwickeln – ob Strategie, Prozess oder Produkt – trägt also immer die Spuren unserer Muster im Inneren.

  • Nein. Es ist kein Naturgesetz, sondern eine Beobachtung. Kommunikation prägt Ergebnisse stark, aber auch Kultur, Ressourcen, Kompetenzen und der Kontext spielen eine entscheidende Rolle.
  • Weil Muster Sicherheit geben. Sie sind vertraut und machen Komplexität beherrschbar. Das ist menschlich – und erklärt, warum Veränderung oft ins Stocken gerät, selbst wenn alle vom Neuen überzeugt sind.
  • Indem man sie sichtbar macht und bewusst bearbeitet. Das passiert über neue Kommunikationswege, andere Entscheidungsprozesse, cross-funktionale Zusammenarbeit oder auch durch das Lösen alter Rituale. Wichtig ist: Muster können nicht einfach abgeschafft werden, sie müssen Schritt für Schritt durch neue ersetzt werden.
  • Doch, Tools sind wichtig. Aber wenn man sie auf alte Muster setzt, verstärken sie nur bestehende Probleme. Erst wenn Strukturen und Kommunikation angepasst sind, entfalten neue Systeme ihre Wirkung.
  • Transformation scheitert selten an fehlender Technik oder Idee – sondern daran, dass Organisationen unbewusst ihre alten Muster mitnehmen. Wer Veränderung will, muss deshalb nicht nur Prozesse und Tools anschauen, sondern vor allem die unsichtbaren Strukturen, die alles zusammenhalten.
  • Wir begleiten Organisationen dabei, ihre Muster sichtbar zu machen und in neue Bahnen zu lenken. Das heißt: • Wir moderieren Dialoge, in denen unausgesprochene Routinen und Kommunikationswege ans Licht kommen. • Wir schaffen sichere Räume, in denen Teams experimentieren und neue Muster erproben können. • Wir verbinden systemische Perspektive mit konkreten Tools: von Kulturarbeit und Werten über agile Methoden bis hin zu Content- und Technikfragen. So entsteht kein isoliertes Projekt, sondern ein Prozess, der Kultur, Struktur und Technik zusammenführt – damit Transformation nicht an alten Mustern scheitert, sondern wirklich trägt.

Werte bewahren. Wandel gestalten. Zukunft sichern.

Veränderung beginnt mit dem richtigen Gespräch.